Bauaufsichtliche Zulassung Ü-Zeichen contra CE-Kennzeichnung

Europäische Kommission fordert Deutschland auf, Handelshemmnisse für Bauprodukte zu beseitigen
 
Ein Gastbeitrag von:
Rechtsanwalt
Martin Kuschel
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Problemstellung
Bei Bauprodukten, für die es nach der Bauproduktenrichtlinie (Richtlinie 89/106/EWG vom 21.12.1988) europäisch harmonisierte Normen gibt, fordert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) zusätzlich zu der europarechtlich vorgegebenen CE-Kennzeichnung eine nationale Zulassung, in der Regel eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, die vom DIBt erteilt und vom Hersteller oder Importeur durch das Ü-Zeichen dokumentiert wird. Nach Auffassung des DIBt dürfen Bauprodukte ohne diese nationale Zulassung in Deutschland nicht eingebaut/verbaut werden.
Für Parkett und Holzfußböden hatte ich in einem Rechtsgutachten von Februar 2011 dargelegt, dass die Forderung nach einer zusätzlichen nationalen Zulassung einerseits gegen europäisches Recht (Bauproduktenrichtlinie) verstößt, andererseits jedoch auch im nationalen deutschen Recht (Bauproduktengesetz und Bauordnungen der 16 Bundesländer) keine Grundlage findet.
[Kuschel, Martin Bauaufsichtliche Zulassung für Parkett? ISBN 978-3-8423-5369-5
Bezugsquellen: www.Parkett-Gutachten.eu]
Betroffen sind jedoch nicht nur Parkett und Holzfußböden, sondern beispielsweise (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) auch
elastische, textile und Laminat-Bodenbeläge (DIN EN 14041)
 
Sportböden (DIN EN 14904)
 
künstlich hergestellter Stein – Fliesen für Fußbodenbeläge (DIN EN 15285)
 
und viele mehr
 
In dem Gutachten konnte seinerzeit nur die Information mitgeteilt werden, dass die EU-Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland prüft.
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland
Am 16.06.2011 hat die Europäische Kommission mitgeteilt, dass sie Deutschland aufgefordert hat, Handelshemmnisse für Bauprodukte zu beseitigen und seine für Bauprodukte geltenden Vorschriften und Verfahren (konkret: die Bauregellisten) zu ändern, mit denen derzeit Zusatzanforderungen an Produkte aufgestellt werden, die von harmonisierten europäischen Normen erfasst sind und eine CE-Kennzeichnung tragen. Solche Zusatzanforderungen verstießen gegen die Vorschriften des europäischen Binnenmarktes.
In der Mitteilung der Europäischen Kommission heißt es weiter:
„Diese Aufforderung durch die Kommission erging in Form einer erneuten mit Gründen versehenen Stellungnahme im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens und bezweckt die Erleichterung des freien Warenverkehrs für Bauprodukte im EU-Binnenmarkt.
Die deutschen Behörden verlangen häufig für Bauprodukte, die aufgrund der CE-Kennzeichnung nachweislich bereits alle geltenden Anforderungen erfüllen, noch eine Vorabgenehmigung und weitere Zusatzzertifizierungen, wie z. B. das deutsche Ü-Zeichen. Dies führt dazu, dass aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung häufig der Zugang zum deutschen Markt verwehrt wird. Zudem werden die betreffenden deutschen Vorschriften zu selten aktualisiert, als dass sie den Herstellern hinreichende Rechtssicherheit in Bezug auf die für Bauprodukte geltenden Anforderungen bieten könnten.
Hintergrund des Vertragsverletzungsverfahrens
Dieser Fall wird zusammen mit einem ähnlichen Fall aus dem Jahr 2004 bearbeitet. 2007 fanden Gespräche zwischen den Kommissionsdienststellen und den deutschen Behörden statt, woraufhin Lösungen für manche Aspekte vorgeschlagen wurden. Insbesondere wurde ein Verfahren vorgeschlagen, das den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bietet zu beantragen, dass vor der Veröffentlichung einer harmonisierten europäischen Norm Methoden zur Bewertung aller wesentlichen Merkmale eines Produkts, die nach nationalem Recht vorgeschrieben sind, darin aufgenommen werden, so dass das schwerfällige Verfahren des förmlichen Widerspruchs nach Artikel 5 Absatz 1 der Bauprodukterichtlinie (89/106/EWG) nicht eingeleitet zu werden braucht. Dadurch lässt sich mit einfachen Mitteln erreichen, dass eine harmonisierte Norm allen juristischen Erfordernissen eines Mitgliedstaats genügt. Somit kann der Fall nicht mehr eintreten, dass ein Mitgliedstaat zusätzliche Anforderungen an ein Produkt aus einem anderen Mitgliedstaat stellt.
Allerdings bestehen in Deutschland noch immer einige Zusatzanforderungen an bereits die CE-Kennzeichnung tragende Bauprodukte, was gegen die Bauprodukte-Richtlinie verstößt. Am 17.10.2008 wurde eine mit Gründen versehene Stellungnahme (sowohl zu Fall 2004/5116 als auch zu Fall 2005/4743) mit der Aufforderung an Deutschland gerichtet, seine Verfahren und Vorschriften sowohl rechtlich als auch praktisch mit dem EU-Recht in Übereinstimmung zu bringen. Allerdings ist die Bundesrepublik dem bislang nicht nachgekommen.
Die Kommission gibt in ihrer erneuten mit Gründen versehenen Stellungnahme klipp und klar an, warum Deutschland seine Vorschriften und Verfahren betreffend die harmonisierten Bauprodukte-Normen ändern muss.
Harmonisierte europäische Normen enthalten die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale und bezwecken den Abbau von technischen Handelshemmnissen für Bauprodukte.“
Ausblick
Während die Bauproduktenrichtlinie in der Regel für harmonisierte Bauprodukte parallel zur CE-Kennzeichnung auch nationale Zulassungen wie die deutsche allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (Ü-Zeichen) als weitere Möglichkeit des Verwendbarkeitsnachweises zuließ, sieht die kürzlich in Kraft getretene Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vom 09.03.2011) in ihrem Art. 8 Abs. 3 vor, dass die CE-Kennzeichnung die einzige Kennzeichnung ist, die die Konformität des Bauprodukts bescheinigt. Ausdrücklich heißt es:
„Die Mitgliedstaaten führen diesbezüglich keine Bezugnahme ein bzw. machen jegliche in nationalen Maßnahmen vorgenommene Bezugnahme auf eine andere Kennzeichnung als die CE-Kennzeichnung, mit der die Konformität mit der erklärten Leistung in Bezug auf die von einer harmonisierten Norm erfassten Wesentlichen Merkmale bescheinigt wird, rückgängig.“
Weiter heißt es in Art. 8 Abs. 4 der Bauproduktenverordnung:
„Ein Mitgliedstaat darf in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Zuständigkeitsbereich die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen.“
Wegen der in der Bauproduktenverordnung vorgesehenen Übergangsfristen gelten diese Regelungen jedoch endgültig erst ab dem 01. Juli 2013.
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